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WÄSCHELEINEN
VERENA STAGGL
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  In meiner Kindheit waren die Wäscheleinen lang. Und immer voll. Wenn die Wäsche wieder nach draussen gehängt wurde und ich in Kniestrümpfen herumlaufen durfte, dann war endlich Frühling. Am liebsten waren mir die grossen, weissen Leintücher. Ich konnte mich in sie eindrehen wie in einen Kokon, die Augen schliessen und mit dem Duft von Zitronen wegfliegen. Stellte ich mich ganz nahe an die richtige Seite, verfing der Wind sich darin und der Stoff legte sich wie eine zweite Haut auf mich oder streifte sanft über meinen Körper. Manchmal riss er grob an den Wäschestücken, mich aber streichelte er, der Wind meiner Kindheit.

Mit Wäscheleinen gehen Alltagswelten auf. Was hängt da? Und wie hängt es? Wird geordnet? Nach Farbe, nach Wäschestück oder wie es gerade kommt? Werden Falten sorgfältig geglättet, Wäschestücke in Form gezogen? Lassen sich kulturelle Unterschiede entdecken? Was, wenn es keine Leinen gibt? Und was, wenn durch den Wind Bewegung in die Wäsche kommt? Manchmal hängt anderes auf den Leinen, Fisch zum Trocknen, Plüschtiere, Wahlpropaganda ...


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Wäscheleinen: mein Reisetagebuch der letzten fünfzehn Jahre. Es fasziniert mich, dass das Persönliche so selbstverständlich öffentlich gemacht wird. Auch deshalb frage ich immer um Erlaubnis, wenn jemand in der Nähe ist. Die meisten reagieren belustigt, manchmal kopfschüttelnd, dass so Banales von Interesse sein kann. Und nicht nur einmal wurde ich in ein Haus gebeten, um etwas ‚Richtiges' zu fotografieren. Nur ein einziges Mal, es war im Norden Argentiniens, durfte ich hauchdünne Fleischstücke, die da hingen, nicht fotografieren. Und einige Wäscheleinen habe ich aus Achtung vor den Menschen nur mit meinem inneren Auge mitgenommen. So gibt es zu den einzelnen Bildern immer auch Geschichten. Im Atelier dann, wenn ich an den Fotos arbeite, spiele ich wieder mit der Wäsche. Wie damals als Kind.

Verena Staggl